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NMR-Studien der molekularen Dynamik in ionischen Flüssigkeiten und Polymerelektrolyten

Becher, Manuel (2020)
NMR-Studien der molekularen Dynamik in ionischen Flüssigkeiten und Polymerelektrolyten.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.25534/tuprints-00011316
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Glasbildende ionische Mischsysteme sind relevante Materialien in modernen Anwendungen der Energietechnik. Sie weisen neben der typischen Glasdynamik oft strukturelle Inhomogenitäten auf, welche sich direkt auf Eigenschaften wie die Ionenleitfähigkeit auswirken. Im Rahmen dieser Arbeit standen zwei Klassen dieser Systeme im Fokus: Polymerelektrolyte (PE) und Ionische Flüssigkeiten (IL). Im Falle der PE findet sich ein Leitfähigkeitsmaximum bei mittleren Salzkonzentrationen, solche Mischungen zeigen gleichzeitig Anzeichen von Mikrophasenseparation in salzreiche und salzarme Domänen. Die betrachteten IL zeigen eine ansteigende Heterogenität der molekularen Dynamik bei Vergrößerung ihrer Kationen, bis hin zur Aggregatsbildung der Kationen. Durch die Variation ihrer Zusammensetzung wurden die strukturellen Inhomogenitäten von PE und IL systematisch verändert. Der Einfluss dieser Inhomogenitäten auf die lokale und langreichweitige Bewegung wurde durch isotopensensitive Kernspinresonanzmessungen getrennt für die einzelnen Komponenten. Für die PE konnte die lokale Dynamik der Polymersegmente und der Lithiumionen erstmals über FC-Messungen analysiert werden. Die Rousedynamik der Polymerkette blieb dabei unter Salzzugabe auf einer reduzierten Frequenzskala unverändert. Zudem wurde gezeigt, dass die Lithiumionen derart stark vom Polymer komplexiert sind, dass sie dessen inhärente Rousedynamik imitieren. Für die Mischungen mit mittlerer Salzkonzentration fanden sich bimodale Suszeptibilitäten der Segmentrelaxation, die einer Separation in schnelle und langsame Polymerdynamik zugeordnet wurden. Für alle Mischungen zeigten diffusive und lokale Dynamik sowohl für die Ionen als auch das Polymer die gleiche Temperaturabhängigkeit, Rotations- und Translationsdynamik sind gekoppelt. Insbesondere gilt diese Kopplung auch zwischen den Komponenten, die Lithiumionendiffusion und die Reorientierungsdynamik der Polymersegmente erfüllen die Stokes-Einstein-Debye-Relation (SED-Relation) im gesamten Temperaturbereich. Im zweiten Teil der Dissertation wurde die Dynamik von Imidazol-basierten IL mit zwei verschiedenen Anionen untersucht und dabei die Kationgrö- ße anhand einer Restgruppe variiert. Mittels FC-NMR konnte deren strukturelle Relaxation von internen Bewegungsfreiheitsgraden separiert werden, es ergaben sich moderate Unterschiede zwischen Kationen- und Anionendynamik. Ein Hinweis auf eine Aggregatsbildung der Kationen wurde in der lokalen Dynamik nicht beobachtet. Durch Teildeuterierung der Kationen einiger IL konnte mittels 2H-SGR- und 2H-STE-Experimente die mikroskopische Dynamik bis nahe dem Glasübergang abgebildet werden. Die Kationen reorientieren sich dabei isotrop über kleinwinklige Rotationssprünge. Messungen der diffusiven Bewegung mit SFG-NMR ermöglichten die Bestimmung kleiner Diffusionskoeffizienten. In Kombination mit den Ergebnissen der lokalen Dynamik konnte gezeigt werden, dass die SED-Relation für die Anionen unabhängig von der Größe der Kationen erfüllt ist. Für die Kationen kommt es für lange Restgruppen zum breakdown der SED-Relation. Dieser äußert sich, anders als für einkomponentige Glasbildner, durch ein Absinken des SED-Produkts, also einer relativen Verlangsamung der Diffusion. Ein entsprechendes Verhalten wurde vor dem Hintergrund von Kationaggregaten motiviert, die eine Barriere für die diffusive Bewegung darstellen. Zusammenfassend werden unterschiedliche Kopplungsmechanismen in den zwei Modellsystemen vorgefunden. In PE führt die Komplexierung der Lithiumionen durch das Polymer zu einer engen Korrelation der Dynamik beider Komponenten, in IL entkoppelt die Kationdiffusion von dessen Rotationsbewegung. Es wurde anhand dieser Systeme gezeigt, wie sich strukturelle Inhomogenitäten und Kopplungsmechanismen der einzelnen Komponenten in einer komplexen molekularen Dynamik äußern. Diese zu verstehen ist essentiell für das Design und die Optimierung von Materialien mit spezifischen Anwendungen.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2020
Autor(en): Becher, Manuel
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: NMR-Studien der molekularen Dynamik in ionischen Flüssigkeiten und Polymerelektrolyten
Sprache: Deutsch
Referenten: Vogel, Prof. Dr. Michael ; Blochowicz, Prof. Thomas
Publikationsjahr: 2020
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 16 Dezember 2019
DOI: 10.25534/tuprints-00011316
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/11316
Kurzbeschreibung (Abstract):

Glasbildende ionische Mischsysteme sind relevante Materialien in modernen Anwendungen der Energietechnik. Sie weisen neben der typischen Glasdynamik oft strukturelle Inhomogenitäten auf, welche sich direkt auf Eigenschaften wie die Ionenleitfähigkeit auswirken. Im Rahmen dieser Arbeit standen zwei Klassen dieser Systeme im Fokus: Polymerelektrolyte (PE) und Ionische Flüssigkeiten (IL). Im Falle der PE findet sich ein Leitfähigkeitsmaximum bei mittleren Salzkonzentrationen, solche Mischungen zeigen gleichzeitig Anzeichen von Mikrophasenseparation in salzreiche und salzarme Domänen. Die betrachteten IL zeigen eine ansteigende Heterogenität der molekularen Dynamik bei Vergrößerung ihrer Kationen, bis hin zur Aggregatsbildung der Kationen. Durch die Variation ihrer Zusammensetzung wurden die strukturellen Inhomogenitäten von PE und IL systematisch verändert. Der Einfluss dieser Inhomogenitäten auf die lokale und langreichweitige Bewegung wurde durch isotopensensitive Kernspinresonanzmessungen getrennt für die einzelnen Komponenten. Für die PE konnte die lokale Dynamik der Polymersegmente und der Lithiumionen erstmals über FC-Messungen analysiert werden. Die Rousedynamik der Polymerkette blieb dabei unter Salzzugabe auf einer reduzierten Frequenzskala unverändert. Zudem wurde gezeigt, dass die Lithiumionen derart stark vom Polymer komplexiert sind, dass sie dessen inhärente Rousedynamik imitieren. Für die Mischungen mit mittlerer Salzkonzentration fanden sich bimodale Suszeptibilitäten der Segmentrelaxation, die einer Separation in schnelle und langsame Polymerdynamik zugeordnet wurden. Für alle Mischungen zeigten diffusive und lokale Dynamik sowohl für die Ionen als auch das Polymer die gleiche Temperaturabhängigkeit, Rotations- und Translationsdynamik sind gekoppelt. Insbesondere gilt diese Kopplung auch zwischen den Komponenten, die Lithiumionendiffusion und die Reorientierungsdynamik der Polymersegmente erfüllen die Stokes-Einstein-Debye-Relation (SED-Relation) im gesamten Temperaturbereich. Im zweiten Teil der Dissertation wurde die Dynamik von Imidazol-basierten IL mit zwei verschiedenen Anionen untersucht und dabei die Kationgrö- ße anhand einer Restgruppe variiert. Mittels FC-NMR konnte deren strukturelle Relaxation von internen Bewegungsfreiheitsgraden separiert werden, es ergaben sich moderate Unterschiede zwischen Kationen- und Anionendynamik. Ein Hinweis auf eine Aggregatsbildung der Kationen wurde in der lokalen Dynamik nicht beobachtet. Durch Teildeuterierung der Kationen einiger IL konnte mittels 2H-SGR- und 2H-STE-Experimente die mikroskopische Dynamik bis nahe dem Glasübergang abgebildet werden. Die Kationen reorientieren sich dabei isotrop über kleinwinklige Rotationssprünge. Messungen der diffusiven Bewegung mit SFG-NMR ermöglichten die Bestimmung kleiner Diffusionskoeffizienten. In Kombination mit den Ergebnissen der lokalen Dynamik konnte gezeigt werden, dass die SED-Relation für die Anionen unabhängig von der Größe der Kationen erfüllt ist. Für die Kationen kommt es für lange Restgruppen zum breakdown der SED-Relation. Dieser äußert sich, anders als für einkomponentige Glasbildner, durch ein Absinken des SED-Produkts, also einer relativen Verlangsamung der Diffusion. Ein entsprechendes Verhalten wurde vor dem Hintergrund von Kationaggregaten motiviert, die eine Barriere für die diffusive Bewegung darstellen. Zusammenfassend werden unterschiedliche Kopplungsmechanismen in den zwei Modellsystemen vorgefunden. In PE führt die Komplexierung der Lithiumionen durch das Polymer zu einer engen Korrelation der Dynamik beider Komponenten, in IL entkoppelt die Kationdiffusion von dessen Rotationsbewegung. Es wurde anhand dieser Systeme gezeigt, wie sich strukturelle Inhomogenitäten und Kopplungsmechanismen der einzelnen Komponenten in einer komplexen molekularen Dynamik äußern. Diese zu verstehen ist essentiell für das Design und die Optimierung von Materialien mit spezifischen Anwendungen.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Glass-forming ionic mixtures are materials relevant for, e. g., modern energy applications. Besides typical dynamics of a glass former, they often show structural inhomogeneities, affecting crucial properties like ionic conductivity. Two classes of these mixtures are in the focus of the present work: polymer electrolytes (PE) and ionic liquids (IL). The PE studied here show a maximum in conductivity measurements for intermediate salt concentrations, which are at the same time prone to microphase separation. Ionic liquids show increasingly heterogeneous local dynamics with increasing cation size, up to the point of cation-cluster formation in the liquid bulk. Here, these inhomogeneities were studied systematically by varying the salt concentration in PE, or tuning the cation size in IL, respectively. Using isotope-sensitive nuclear magnetic resonance spectroscopy (NMR), influences of these alterations on local and long-ranged dynamics were ascertained separately for each of the components (polymer, anions, cations). In the case of PE, local segmental dynamics could be accessed by field-cycling (FC) NMR for the first time. The inherent Rouse dynamics of the polymer chains is not altered on addition of lithium salts on a reduced time scale. Moreover, lithium ions in the salt are complexed to the polymer backbone in such a way that due to the resulting coupling of dynamics they imitate the Rouse modes of the chains. Intermediate PE mixtures show bimodal segmental relaxation resulting in two contributions to the respective susceptibility representations. The two processes were attributed to salt-rich and salt-depleted domains in these samples. For all mixtures, diffusive and local dynamics show the same temperature dependence. Thus, rotational and translational motions are coupled. This coupling even holds when correlating the lithium-ion migration and segmental reorientation of the polymer via the Stokes-Einstein-Debye (SED) relation. The SED-product D(Li) · τ(Pol) is constant for all studied temperatures. In the second part of the present work local relaxational processes of two IL were analyzed, both comprising the imidazole cation but different anions. For an IL containing TFSI-anions the size of the cation was varied systematically by stepwise increasing the length of an attached alkyl chain. In 1H and 19F FC experiments local cation and anion dynamics showed a similar slowdown with decreasing temperature, with only moderate differences between short an long alkyl chains. No signs of an aggregation of charge carriers were found. Additionally, 2H spin-lattice relaxation and stimulated-echo experiments gave valuable insights into the isotropic rotational motions of the cations. Structural relaxation predominantly takes place via small-angle jumps. The combination of 1H and 2H experiments yielded correlation times of cation reorientation over eleven decades in time. Accessing the molecular diffusive motion by applying static field gradient NMR, small diffusion coefficients of cations and anions can be probed. In combination with the correlation times ascertained beforehand the anions of all measured IL fullfill the SED relation in a wide temperature range. In contrast, a breakdown of the said relation is found for the cation data if the alkyl-chain length is increased to six or more carbon atoms. Contrary to the increase of the SED product for such a breakdown in other glass formers, here the product showed a decrease upon cooling. This unusual behaviour was attributed to cation aggregates forming a barrier to long-range diffusion, while not affecting the local rotational processes. To conclude, in this work diverse coupling mechanisms were found for both classes of ionic mixtures. In PE the complexation of lithium ions by the polymer backbone leads to a strong coupling of both dynamics, regardless of heterogeneous polymer motion in the samples with intermediate salt concentrations. In IL, translational and rotational motion of the cations decouple when structural inhomogeneities are increased. For both systems it was shown in detail how aforementioned structural effects and couplings on a molecular level result in complex microscopic and macroscopic dynamics. The understanding of these mechanisms is essential for designing new materials and optimizing attributes for specific applications.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-113162
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 05 Fachbereich Physik
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM))
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Experimentelle Physik kondensierter Materie
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Magnetische Kernresonanz
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Polymerdynamik, hydrodynamische Wechselwirkungen, Elektrokinetik, Computersimulationsmethoden
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Struktur und Dynamik amorpher Systeme
Hinterlegungsdatum: 09 Feb 2020 20:55
Letzte Änderung: 09 Feb 2020 20:55
PPN:
Referenten: Vogel, Prof. Dr. Michael ; Blochowicz, Prof. Thomas
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 16 Dezember 2019
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