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Entwicklung eines Algorithmus zur Prädiktion eines innerstädtischen Fahrstreifenwechsels

Heine, Jens (2018)
Entwicklung eines Algorithmus zur Prädiktion eines innerstädtischen Fahrstreifenwechsels.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Autofahren ist ein essentieller Bestandteil der individuellen Mobilität, birgt aber aufgrund menschlichen Fehlverhaltens eine hohe Unfallgefahr. Fahrerassistenzsysteme zur aktiven Sicherheit tragen in aktuellen Personenkraftwagen zu einer Reduktion von Unfällen im Straßenverkehr bei, da sie den Fahrer bei der Bewältigung unfallträchtiger Situationen unterstützen. Die Wirksamkeit von warnenden Systemen steigt dabei mit der Frühzeitigkeit einer Unterstützung. Werden Warnungen zu früh ausgegeben, steigt die Gefahr, eine für den Fahrer als unnötig wahrgenommene Warnung auszugeben, das sog. Warndilemma. Produziert ein System zu viele als unnötig wahrgenommene Warnungen, verringert dies die Akzeptanz - bis hin zum vollständigen Deaktivieren des Systems durch den Fahrer. Fahrermodellierung mit dem Ziel der Fahrerabsichtserkennung kann dabei unterstützen, Fahrerassistenzsysteme so an den Fahrer anzupassen, dass Warnungen nur in notwendigen Fällen ausgegeben werden. Dabei ist die Fahrerabsichtserkennung sehr komplex, da die Fahrzeugführung von inter- und intraindividuell verschiedenem Fahrerverhalten geprägt ist. Aufgrund dieser Komplexität liegt auch ein Forschungsbedarf zur Prädiktion von Fahrerverhalten vor, besonders im hochdynamischen und veränderlichen innerstädtischen Verkehr. In diesem Umfeld weisen Fahrmanöver mit hohem Querführungsanteil einen vermehrten Bedarf an Fahrerunterstützung auf. Dies ist Motivation für die Entwicklung eines Algorithmus zur Prädiktion eines innerstädtischen Fahrstreifenwechsels, welcher in dieser Arbeit realisiert wird. Die Entwicklung folgt einem induktiven Ansatz und leitet Merkmale für eine Fahrmanöverprädiktion aus Daten ab. Ein sequentieller Prozess ist der geeignete Entwicklungsprozess dieser Anwendung, da die vollständigen Anforderungen in jedem Entwicklungsschritt verfügbar sind, die Ergebnisse unmittelbar mit den Anforderungen abgeglichen und direkte Aussagen zu einer möglichen Funktion abgeschätzt werden können. Entlang des Entwicklungsprozesses wurden die notwendigen Elemente theoretisch hergeleitet und entsprechende Designentscheidungen in Einklang mit den Anforderungen getroffen. Zentrales Element dieser Arbeit ist ein Algorithmus zur Prädiktion von Fahrstreifenwechseln. Dieser Algorithmus basiert auf Verfahren des Maschinenlernens und benötigt für die Trainingsphase Daten. Diese Daten wurden mit dem Ziel der Repräsentation natürlichen Fahrerverhaltens in einer kontrollierten Feldstudie mit Probanden gewonnen. Aus den Daten wurden mit Hilfe eines quantitativen Bewertungsmaßstabs Merkmale extrahiert, um den Algorithmus mit einer geeigneten Menge an Eingangsgrößen trainieren zu können. Die Daten enthielten dabei Merkmale des Fahrerverhaltens auf der Basis von Fahrzeug- und Fahrerbeobachtungsdaten. Die am besten geeigneten Merkmale waren dabei Informationen zur Spurposition des Fahrzeuges und der horizontale Kopfwinkel des Fahrers. Der Algorithmus basiert auf der Fuzzifizierung der Eingangsdaten und der Transformation der Fuzzy-Regeln in Fahrerverhaltenssequenzen. Mit Hilfe eines k-Nearest-Neighbor Verfahrens, unter Nutzung der Edit Distance als Distanzmetrik, werden in Echtzeit das Fahrerverhalten mit den gelernten Sequenzen verglichen sowie die Wahrscheinlichkeit und ein Zeithorizont für einen Fahrstreifenwechsel berechnet. Die Fahrerbeobachtungsdaten wurden durch das Hinzufügen eines Entscheidungs- und eines Regressionsbaumes mit dem Ergebnis der Auswertung der Verhaltenssequenzen fusioniert, um die Berechnung der Wahrscheinlichkeit bzw. zeitlichen Prädiktion zu verbessern. Die Leistungsfähigkeit des Algorithmus wurde mit Hilfe des Leave-one-out Kreuzvalidierungsverfahrens überprüft. Der Fokus der Bewertung des Algorithmus lag dabei, neben Richtig- und Falscherkennungsrate einer ROC-Analyse, auch auf der zeitlichen Vorhersage des Beginns eines Fahrstreifenwechsels. Der entwickelte Algorithmus ermöglicht eine frühzeitige Prädiktion von Fahrstreifenwechseln im innerstädtischen Verkehr und bietet das Potential, aktive Fahrerassistenzsysteme durch die Bereitstellung prädizierten Fahrerverhaltens zu verbessern, indem fahreradaptive Warnungen ausgegeben werden können. Der Algorithmus wurde darüber hinaus in ein Demonstratorfahrzeug mit Hilfe prototypischer Hardware und einer Visualisierung integriert, um die Echtzeit- und Leistungsfähigkeit zu verifizieren und das Potential einer Fahrmanöverprädiktion zu demonstrieren. Im Verlauf der Arbeit werden die Methodik und die Ergebnisse kritisch diskutiert. Die gewählte Methodik, der Entwicklungsprozess, der Bewertungsmaßstab und der entwickelte Algorithmus erfüllen die aufgestellten Kriterien und scheinen geeignet, Warnungen fahreradaptiv gestalten zu können. Zum Abschluss der Arbeit wird aufgezeigt, an welchen Stellen weiterer Forschungsbedarf bezüglich der Fahrmanöverprädiktion und der Verbesserung von Fahrerassistenzsystemen besteht.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2018
Autor(en): Heine, Jens
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Entwicklung eines Algorithmus zur Prädiktion eines innerstädtischen Fahrstreifenwechsels
Sprache: Deutsch
Referenten: Bruder, Prof. Dr. Ralph ; Konigorski, Prof. Dr. Ulrich
Publikationsjahr: 2018
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 29 November 2017
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/7544
Kurzbeschreibung (Abstract):

Autofahren ist ein essentieller Bestandteil der individuellen Mobilität, birgt aber aufgrund menschlichen Fehlverhaltens eine hohe Unfallgefahr. Fahrerassistenzsysteme zur aktiven Sicherheit tragen in aktuellen Personenkraftwagen zu einer Reduktion von Unfällen im Straßenverkehr bei, da sie den Fahrer bei der Bewältigung unfallträchtiger Situationen unterstützen. Die Wirksamkeit von warnenden Systemen steigt dabei mit der Frühzeitigkeit einer Unterstützung. Werden Warnungen zu früh ausgegeben, steigt die Gefahr, eine für den Fahrer als unnötig wahrgenommene Warnung auszugeben, das sog. Warndilemma. Produziert ein System zu viele als unnötig wahrgenommene Warnungen, verringert dies die Akzeptanz - bis hin zum vollständigen Deaktivieren des Systems durch den Fahrer. Fahrermodellierung mit dem Ziel der Fahrerabsichtserkennung kann dabei unterstützen, Fahrerassistenzsysteme so an den Fahrer anzupassen, dass Warnungen nur in notwendigen Fällen ausgegeben werden. Dabei ist die Fahrerabsichtserkennung sehr komplex, da die Fahrzeugführung von inter- und intraindividuell verschiedenem Fahrerverhalten geprägt ist. Aufgrund dieser Komplexität liegt auch ein Forschungsbedarf zur Prädiktion von Fahrerverhalten vor, besonders im hochdynamischen und veränderlichen innerstädtischen Verkehr. In diesem Umfeld weisen Fahrmanöver mit hohem Querführungsanteil einen vermehrten Bedarf an Fahrerunterstützung auf. Dies ist Motivation für die Entwicklung eines Algorithmus zur Prädiktion eines innerstädtischen Fahrstreifenwechsels, welcher in dieser Arbeit realisiert wird. Die Entwicklung folgt einem induktiven Ansatz und leitet Merkmale für eine Fahrmanöverprädiktion aus Daten ab. Ein sequentieller Prozess ist der geeignete Entwicklungsprozess dieser Anwendung, da die vollständigen Anforderungen in jedem Entwicklungsschritt verfügbar sind, die Ergebnisse unmittelbar mit den Anforderungen abgeglichen und direkte Aussagen zu einer möglichen Funktion abgeschätzt werden können. Entlang des Entwicklungsprozesses wurden die notwendigen Elemente theoretisch hergeleitet und entsprechende Designentscheidungen in Einklang mit den Anforderungen getroffen. Zentrales Element dieser Arbeit ist ein Algorithmus zur Prädiktion von Fahrstreifenwechseln. Dieser Algorithmus basiert auf Verfahren des Maschinenlernens und benötigt für die Trainingsphase Daten. Diese Daten wurden mit dem Ziel der Repräsentation natürlichen Fahrerverhaltens in einer kontrollierten Feldstudie mit Probanden gewonnen. Aus den Daten wurden mit Hilfe eines quantitativen Bewertungsmaßstabs Merkmale extrahiert, um den Algorithmus mit einer geeigneten Menge an Eingangsgrößen trainieren zu können. Die Daten enthielten dabei Merkmale des Fahrerverhaltens auf der Basis von Fahrzeug- und Fahrerbeobachtungsdaten. Die am besten geeigneten Merkmale waren dabei Informationen zur Spurposition des Fahrzeuges und der horizontale Kopfwinkel des Fahrers. Der Algorithmus basiert auf der Fuzzifizierung der Eingangsdaten und der Transformation der Fuzzy-Regeln in Fahrerverhaltenssequenzen. Mit Hilfe eines k-Nearest-Neighbor Verfahrens, unter Nutzung der Edit Distance als Distanzmetrik, werden in Echtzeit das Fahrerverhalten mit den gelernten Sequenzen verglichen sowie die Wahrscheinlichkeit und ein Zeithorizont für einen Fahrstreifenwechsel berechnet. Die Fahrerbeobachtungsdaten wurden durch das Hinzufügen eines Entscheidungs- und eines Regressionsbaumes mit dem Ergebnis der Auswertung der Verhaltenssequenzen fusioniert, um die Berechnung der Wahrscheinlichkeit bzw. zeitlichen Prädiktion zu verbessern. Die Leistungsfähigkeit des Algorithmus wurde mit Hilfe des Leave-one-out Kreuzvalidierungsverfahrens überprüft. Der Fokus der Bewertung des Algorithmus lag dabei, neben Richtig- und Falscherkennungsrate einer ROC-Analyse, auch auf der zeitlichen Vorhersage des Beginns eines Fahrstreifenwechsels. Der entwickelte Algorithmus ermöglicht eine frühzeitige Prädiktion von Fahrstreifenwechseln im innerstädtischen Verkehr und bietet das Potential, aktive Fahrerassistenzsysteme durch die Bereitstellung prädizierten Fahrerverhaltens zu verbessern, indem fahreradaptive Warnungen ausgegeben werden können. Der Algorithmus wurde darüber hinaus in ein Demonstratorfahrzeug mit Hilfe prototypischer Hardware und einer Visualisierung integriert, um die Echtzeit- und Leistungsfähigkeit zu verifizieren und das Potential einer Fahrmanöverprädiktion zu demonstrieren. Im Verlauf der Arbeit werden die Methodik und die Ergebnisse kritisch diskutiert. Die gewählte Methodik, der Entwicklungsprozess, der Bewertungsmaßstab und der entwickelte Algorithmus erfüllen die aufgestellten Kriterien und scheinen geeignet, Warnungen fahreradaptiv gestalten zu können. Zum Abschluss der Arbeit wird aufgezeigt, an welchen Stellen weiterer Forschungsbedarf bezüglich der Fahrmanöverprädiktion und der Verbesserung von Fahrerassistenzsystemen besteht.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Driving a car is an essential part of individual mobility, but due to human error, it poses a high risk of accidents. Active safety driver assistance systems in current passenger cars contribute to a reduction in road traffic accidents, as they help the driver to overcome accident-prone situations. The effectiveness of these warning systems increase with the earliness of support. However, if warnings are issued too early, the danger that the driver perceives a warning as unnecessary increases. This is the so called warning dilemma. If a system produces too many warnings that are perceived as unnecessary, this will reduce its acceptance - right up to the point where the driver will completely disable the system. Modeling the driver with the goal of driver intention detection can help to adapt driver assistance systems in such a way, that those warnings are issued in necessary cases only. At the same time, driver intention detection is very complex, since the vehicle guidance is characterized by interindividual and intraindividual differerencies in driver’s behavior. Due to this complexity, there is a need for research on the prediction of driver’s behavior, especially in highly dynamic inner-city traffic. In this environment, driving maneuvers with a lateral component especially increase the need for driver assistance. This is the motivation for the development of an algorithm to predict an urban lane change, which is realized in this thesis. The development follows an inductive approach and derives characteristic features for the maneuver prediction from data. A sequential process is the appropriate development process for this application, as the full requirements are available in each development step, the results can directly be aligned with the requirements, and direct estimates of possible functions can be derived. Along the development process, the necessary elements were theoretically derived and in accordance with the requirements, appropriate design decisions were made. The central element of this thesis is the algorithm for the prediction of lane changes. This algorithm is based on machine learning and requires data for the training phase. With the goal of representing natural driver behavior, the data was obtained in a controlled field study with volunteer participants. Features were extracted from the data, using a quantitative rating scale to train the algorithm with an appropriate set of inputs. The data contained characteristics of the driver’s behavior based on vehicle and driver monitoring data. The most suitable features were information about the lane position of the vehicle and the horizontal head angle of the driver. The algorithm is based on the fuzzification of the input data and the transformation of the fuzzy rules into driver’s behavior sequences. With the help of a k-nearest neighbor method, using the Edit Distance as a distance metric, the driver’s behavior is compared with the trained sequences in real time and the likelihood and time horizon for a lane change are calculated. The driver monitoring data was fused by adding a decision and a regression tree to the result of evaluating the behavioral sequences to improve the calculation of the likelihood and temporal prediction. The performance of the algorithm was tested using the leave-one-out cross-validation method. The evaluation of the algorithm considered in addition to true and false positive detection rate the temporal prediction of the beginning of a lane change. The algorithm is capable of predicting lane changes in urban traffic situations and could improve driver assistance systems by providing predicted driver’s behavior to trigger driver-adaptive warnings. The algorithm was additionally integrated into a demonstrator vehicle using prototype hardware and a suiting visualization to verify real-time capability and detection performance for demonstrating the potential of a driving maneuver prediction. The methodology and the results were critically discussed. The selected methodology, the development process, the testing methodology and the developed algorithm fulfill the established criteria and seem to be suitable for driver-adaptive warnings. At the end of the thesis, an outlook to further research regarding driving maneuver prediction and the improvement of driver assistance systems is presented.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-75440
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Arbeitswissenschaft (IAD)
16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Arbeitswissenschaft (IAD) > Mensch-Maschine-Interaktion & Mobilität
Hinterlegungsdatum: 07 Okt 2018 19:55
Letzte Änderung: 07 Okt 2018 19:55
PPN:
Referenten: Bruder, Prof. Dr. Ralph ; Konigorski, Prof. Dr. Ulrich
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 29 November 2017
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